Der Überlassungsvertrag: Grundstücksübertragung zur Vorwegnahme der Erbfolge

Der Wunsch, das eigene Hausgrundstück bereits zu Lebzeiten an die eigenen Kinder zu übertragen, hat vielfältige Gründe und ist aufgrund der aktuellen Zinspolitik so beliebt wie nie. Neben der Freizeichnung von Verwaltungslasten und Verantwortung sowie der lebzeitigen Klärung der Vermögensnachfolge in die betreffende Immobilie spielen häufig auch steuerliche Aspekte eine Rolle. Auch die Hoffnung, trotz Verarmung und Pflegebedürftigkeit den Regress eines Sozialhilfeträgers zu vermeiden, ist ein immer häufigeres Motiv in der notariellen Beratungspraxis.

In Ihre Erwägung, Ihren Kindern ein Grundstück zu schenken, sollten Sie jedoch einige Überlegungen mit einbeziehen, insbesondere, wenn es sich bei dem zu überlassenden Grundstück um das selbst genutzte Eigenheim handelt.

Verlust der Eigentümerstellung

Eigentlich soll sich ja gar nichts ändern, Sie wollen ja lediglich, dass Ihr Kind bereits zu Lebzeiten im Grundbuch eingetragen wird?

Bedenken Sie, dass mit einer Grundstücksschenkung unweigerlich der Verlust der Eigentümerstellung einhergeht. Daher sollten Sie sich auch bei einem berechtigten Vertrauen in Ihre Kinder stets absichern, um etwa eine ungewollte Weiterveräußerung oder Schenkung der Immobilie an Dritte zu verhindern. Auch für den Fall, dass Sie selbst in finanzielle Schwierigkeiten geraten, sollten Sie Vorsorge treffen.

Wenn im Überlassungsvertrag Vorbehalte und Gegenleistungen vereinbart werden, spricht man nicht mehr von einer reinen Schenkung, sondern von einer sog. gemischten Schenkung. Voraussetzung einer Schenkung bleibt, dass der Wert der Leistung, d.h. der Wert des zu übertragenen Grundbesitzes, höher ist als der Wert der Gegenleistung und sich sowohl Veräußerer als auch Erwerber dessen bewusst sind.

Absicherung des Veräußerers

Die Liste der Gegenleistungen und Auflagen, die im Überlassungsvertrag vereinbart werden können, ist lang. Häufig vorgesehen sind Nutzungsrechte, Geldzahlungen und Dienstleistungen.

  • Nießbrauch

Die Eintragung eines Nießbrauchs im Grundbuch berechtigt den Veräußerer zur umfassenden Selbstnutzung oder Vermietung des überlassenen Grundstücks auf eigene Rechnung. Hierbei ist auf eine gerechte Verteilung der Lasten zwischen Erwerber und Veräußerer zu achten. Das Gesetz sieht dabei vor, dass der Nießbraucher die gewöhnliche Unterhaltung, kleinere Reparaturen und gewöhnliche öffentliche Lasten (z.B. Grundsteuer) trägt. Der Eigentümer hingegen ist für „Großreparaturen“ (z.B. neue Heizung, Dach) sowie die außerordentlichen Lasten (z.B. Erschließungskosten) verantwortlich. Es bleibt also nur dann „wirtschaftlich“ alles beim Alten, wenn von der gesetzlichen Regelung abweichend eine Tragung aller Kosten zu Lasten des Nießbrauchers vereinbart wird.

  • Wohnungsrecht

Das Wohnungsrecht gewährt gegenüber dem Nießbrauch weniger weitreichende Befugnisse: Es berechtigt nur zur Selbstnutzung und kann auf einzelne Gebäudeteile (z.B. eine Dachgeschosswohnung) beschränkt werden. Wichtig ist, dass die Räume zur ausschließlichen Nutzung des Wohnungsberechtigten und die zum gemeinsamen Gebrauch bestimmten Bereiche (z.B. Garten, Garage) im Vertrag genau bezeichnet werden. Auch beim Wohnungsrecht ist auf eine gerechte Verteilung der Lasten zwischen Erwerber und Veräußerer zu achten, denn der Wohnungsberechtigte wohnt miet- aber nicht nebenkostenfrei. Das Wohnungsrecht ist aufgrund seiner Höchstpersönlichkeit nicht pfändbar und kann auch nach derzeitiger Rechtsprechung nicht auf einen Sozialhilfeträger übergehen.

  • Geldleistungen an den Übergeber

In Betracht kommt die Zahlung eines sog. Abstandsgeldes an den Übergeber oder eines Gleichstellungsgeldes an Geschwister des Erwerbers, welches sich aus Sicht des Erwerbers ebenfalls als eine Leistung an den Übergeber darstellt.

Auch wiederkehrende Zahlungen in Form einer monatlichen Rente werden häufig vereinbart, um eine Altersversorgung zu gewährleisten. Ein solcher Anspruch sollte stets im Grundbuch mithilfe einer Reallast abgesichert werden.

  • Naturalleistungen

Umfassende Pflegeverpflichtungen spielen heute nur noch eine untergeordnete Rolle. Falls gewünscht, sind die zu erbringenden Leistungen klar zu umgrenzen und mit einer dinglichen Reallast im Grundbuch abzusichern. Üblich ist etwa eine Beschränkung der Verpflichtung auf Pflege- und Krankenleistungen bis zum Erreichen des Pflegegrades 2, da ab dieser Schwelle die wesentlichen staatlichen Pflegeleistungen nach dem Pflegeversicherungsgesetz greifen.

Rückforderungsvorbehalte sowie sozialrechtliche Fragen, insb. Sozialhilferegress

Neben den gesetzlichen, nicht abdingbaren Rücktrittstatbeständen (§§ 528, 530 BGB) können Sie zusätzlich vertragliche Rückforderungsrechte vereinbaren.

Mögliche Rückforderungsgründe können sein:

  • Weiterveräußerung oder Schenkung der Immobilie ohne Zustimmung des Übergebers an Dritte
  • Pfändung der Immobilie (Rückforderung, um eine Zwangsversteigerung abzuwenden)
  • Vorversterben des Erwerbers vor dem Veräußerer (Rückforderung, um z.B. zu verhindern, dass Schwiegertochter/Schwiegersohn nach Wiederheirat über das Grundstück verfügen können)

Unüblich und nicht empfehlenswert ist demgegenüber ein freies Widerrufsrecht, da es die Interessen des Erwerbers an einer sicheren Zukunftsplanung nicht hinreichend berücksichtigt. Außerdem beginnt die für Schenkungs- und Erbschaftssteuer relevante Zehn-Jahres-Frist dann nicht zu laufen.

Immer größere Bedeutung erlangt das gesetzliche Rückforderungsrecht wegen Verarmung des Schenkers nach § 528 BGB. Grundsätzlich steht dieses Recht dem Schenker gegenüber seinen beschenkten Kindern zu. Es geht jedoch auf den Sozialhilfeträger über, wenn sich der Schenker innerhalb von zehn Jahren nach der Schenkung nicht mehr selbst unterhalten kann und auf Sozialhilfeleistungen angewiesen ist. Insbesondere aufgrund kostspieliger Heimunterbringungen tritt diese Problematik immer häufiger auf. Um einen solchen Sozialhilferegress zu vermeiden oder möglichst gering zu halten, sollte der Schenkungswert reduziert werden. Dies gelingt durch Eintragung eines lebenslangen Wohnungsrechtes für die Eltern oder durch Vereinbarung von zu übernehmenden Pflegeleistungen (s.o.). Ausgeschlossen ist der Rückgriffsanspruch zudem nach einem Ablauf von zehn Jahren nach der Schenkung, § 529 Abs. 1 Alt. 2 BGB. Es empfiehlt sich daher, mit einer geplanten Grundstücksübertragung an die eigenen Kinder nicht bis ins hohe Alter zu warten. Die Zehn-Jahres-Frist beginnt jedoch nur zu laufen, wenn die Schenkung tatsächlich vollzogen wurde. Dies setzt den Abschluss des Erwerbsvorgangs voraus, also den Abschluss eines notariell beurkundeten Auflassungsvertrags und den Antrag auf Grundbucheintragung beim Grundbuchamt.

Pflichtteilsverzicht, Verhältnis zu den „weichenden Geschwistern“

Oft werden Grundstücksübertragen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auch vorgenommen, um die Pflichtteilsansprüche von Geschwisterkindern auszuschließen oder gering zu halten, indem das Nachlassvermögen durch Herausnahme eines Grundstücks bereits zu Lebzeiten reduziert wird. Weichende Geschwister können innerhalb von drei Jahren nach dem Tode des Veräußerers sog. Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend machen, sofern ihr Anteil am Nachlass durch die lebzeitige Übertragung beeinträchtigt wird.

Doch auch Pflichtteilsergänzungsansprüche sind erst nach Ablauf einer Zehn-Jahres-Frist ausgeschlossen, § 2325 Abs. 3 BGB. Stirbt der Veräußerer innerhalb dieser Zehn-Jahres-Frist, reduzieren sich die Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen die beschenkten Kinder immerhin um 10 % für jedes abgelaufene Jahr seit der Schenkung. Die Frist beginnt zudem nur zu laufen, wenn der Leistungserfolg der Schenkung eingetreten ist. Bei Grundstücksschenkungen ist hierfür grundsätzlich auf die Eigentumsumschreibung im Grundbuch abzustellen. Nach der von der Rechtsprechung entwickelten „Genusstheorie“ wird die Schenkung jedoch nur dann als tatsächlich geleistet angesehen, wenn die Immobilie wirtschaftlich aus dem Vermögen des (späteren) Erblassers ausgegliedert wurde und dieser den „Genuss“ an dem Schenkungsgegenstand aufgegeben hat. Hält sich der Schenker etwa einen umfassenden Nießbrauch an dem Grundstück vor, liegt nach der Ansicht des BGH gerade keine „Leistung“ im genannten Sinne vor. Ob auch ein Wohnrecht den Fristlauf hemmt, ist abhängig vom konkreten Einzelfall. Eine juristische Beratung ist daher unerlässlich.

Viel häufiger wird die Überlassung an eines von mehreren Kindern aber von dem Wunsch begleitet, im Interesse des gesamtfamiliären Friedens einen gerechten Ausgleich zu den Geschwisterkindern zu schaffen. Möglich wird dies durch Ausgleichszahlungen an die Geschwister (sog. Gleichstellungsgelder). Diese können (und sollten) mit einem vollständigen oder gegenständlich beschränkten Pflichtteilsverzicht verknüpft werden.

Auch an eine Verteilung der „Unterhaltslast“ der Eltern sollte vor dem Hintergrund eines Pflegebedürftigkeitsrisikos und der bereits erläuterten Problematik des Sozialhilferegresses immer gedacht werden, indem etwa Freistellungsvereinbarungen unter den Geschwistern getroffen werden.

Fazit

Wie Sie sehen, ist die schenkweise Übertragung einer Immobilie im Wege der vorweggenommenen Erbfolge keineswegs unkomplizierter als ihr Verkauf. Die im Schenkungs-/Übertragungsvertrag zu vereinbarenden Regelungen sollten gut durchdacht, mit allen betroffenen Familienmitgliedern und letztlich mit dem Notar als rechtlichem Berater besprochen werden.

LinkedIn
XING
WhatsApp
Facebook
Twitter